Wie entstand die Idee für Publix und welche Lücke soll damit geschlossen werden?
Der Correctiv-Gründer David Schraven skizzierte vor etwa acht Jahren die Idee eines Hauses, in dem gemeinnützige Medienunternehmen und Redaktionen unter einem Dach zusammenkommen könnten. Hans Schöpflin, der nicht nur großes Interesse an Journalismus hat, sondern noch stärker wirksam in diesem Bereich werden wollte, griff diese Vision mit der Schöpflin Stiftung auf. Die Idee verfolgte von Anfang an zwei Ziele: Einerseits einen Ort zu schaffen, an dem Organisationen und Einzelpersonen – also etwa freie Journalist:innen – mit geteilten Ressourcen schnell in produktives Arbeiten und Austausch kommen. Andererseits ein repräsentatives und sicheres Gebäude zu etablieren, das nach außen Sichtbarkeit für unabhängigen Journalismus schafft.
Gibt es bereits Effekte, die auf diese Idee einzahlen?
Das Haus ist von Anfang an in einem kollaborativen Prozess entstanden. Die ersten Organisationen, die zugesagt hatten, hier einzuziehen, wurden früh in die Planung einbezogen: Sie definierten Bedarfe, etwa Audio-Studios für Produktionen oder Übernachtungsmöglichkeiten für Gäste und Anforderungen an die Sicherheit des Hauses. Dieser sogenannte CoLab-Ansatz setzt sich bis heute fort. Ausgewählte Mitarbeiter:innen der “Residents” – also der Organisationen, die fest im Haus arbeiten – um Wünsche, Abläufe und Kooperationsmöglichkeiten abzustimmen. In einem dieser Treffen haben sie eine Landkarte aller Verbindungen zwischen den Organisationen erstellt. Es ist ein eindrucksvolles Bild entstanden, wie viele Querverbindungen und Kooperationen inzwischen bestehen. Auch nach außen zeigt der Ansatz Wirkung: Wir binden die Publix Residents in unser öffentliches Programm ein und kooperieren bei passenden Projekten. Ein Beispiel ist die Konferenz Shaping Tomorrow, die wir 2024 gemeinsam mit dem European Press Prize ausgerichtet haben. Dabei waren 120 internationale Gäste im Haus, ein großer Mehrwert sowohl für uns als auch für die Residents.
Will Publix in die Gesellschaft oder in den Journalismus wirken?
Beides. Und genau darin liegt unsere Mission. Journalismus wirkt immer in die Gesellschaft hinein, und gesellschaftliche Bedarfe spiegeln sich im Journalismus. Deshalb betrachten wir beide Ebenen untrennbar miteinander verbunden.
Wie adressiert Publix Zielgruppen abseits der Journalismus-Community?
Wir wollen bewusst auch Menschen erreichen, die nicht Teil der Medienbranche sind, von der Nachbarschaft hier in Neukölln bis hin zu Berlin-Besucher:innen, die sich für unsere Themen interessieren. Dafür haben wir bislang zwei Reihen entwickelt – Publix Thursdays sind ein regelmäßiges Abendprogramm im Forum mit prominenten Gästen – und wir hosten regelmäßig Buchpremieren von Non-Fiction-Büchern. Pro Abend kommen im Schnitt rund 150 Besucher:innen, eine gute Mischung aus journalistischem Fachpublikum und breiter Öffentlichkeit. Der Austausch geht oft im Anschluss an das Bühnenprogramm weiter und genau das wollen wir erreichen. Darüber hinaus öffnen wir das Haus aktiv für den Kiez und kooperieren mit Kultur- und Jugendinitiativen aus Nordneukölln. Mit unserem Programm „Pipe Up!“, einer Wortwerkstatt, stärken wir die Ausdrucksfähigkeit von Kindern und jungen Erwachsenen, sie lernen Schreiben, freies Erzählen, zeichnen Comics bis hin zur Produktion erster journalistischer Texte. Damit wollen wir langfristig diversere Stimmen im Journalismus fördern. Auch Formate wie unser jährliches Open House sprechen die Nachbarschaft an: Über 1.000 Besucher:innen haben im Juni einen Tag lang unsere Workshops besucht, Studios besichtigt oder die Residents an Marktständen kennengelernt.
Gibt es Learnings aus den Publix-Formaten?
Ja, eine ganze Reihe. Ein zentrales Learning ist, dass Formate am stärksten wirken, wenn sie gemeinsam mit Partner:innen entwickelt werden. In der Praxis heißt das: Wir arbeiten nicht mit fertigen Konzepten, die wir dann „überstülpen“, sondern setzen auf Ko-Kreation. Dieser Ansatz stärkt auch die Bindung der beteiligten Organisationen an unser Haus und lädt die Formate mit einem tiefen Verständnis für die Themen auf, das wir als Host allein nicht hätten. Ein weiteres Learning betrifft die Wirkung nach außen: Wir merken, dass Formate besonders dann erfolgreich sind, wenn sie unterschiedliche Ebenen verbinden, zum Beispiel die unmittelbare Vernetzung im Haus mit einer Öffnung in die Öffentlichkeit. So entstehen Veranstaltungen oder Programme, die einerseits konkrete Bedarfe im Feld bedienen und andererseits Strahlkraft weit über das Haus hinaus entwickeln. Und schließlich haben wir gelernt, wie wichtig es ist, Formate immer wieder kritisch zu überprüfen: Welche Ressourcen fließen hinein, welche Wirkung erzielen wir tatsächlich, und wo sollten wir uns strategisch fokussieren? Diese Reflexion hat uns geholfen, unser Profil zu schärfen und uns auf die Angebote zu konzentrieren, die den größten Mehrwert für die Community und den Journalismus insgesamt stiften.
Wie finanziert sich Publix?
Die Schöpflin Stiftung hat die Bau- und Ausstattungskosten von gut 25 Millionen Euro vollständig getragen und die Publix gGmbH als Betreiberin ausgegründet. Sie unterstützt auch den laufenden Betrieb in den ersten Jahren mit einer 6-stelligen Förderung, in Verbindung mit klar definierten Umsatzzielen. Im Jahr 2025 erwirtschaftet Publix bereits gut 2/3 seines Budgets selbst. Zusätzlich erhalten wir strukturelle Förderungen von der Zeit Stiftung Bucerius und der Stiftung Mercator Schweiz. Von Beginn an gehört es zum Konzept, dass die Nutzer:innen das Haus mittragen: Die Resident-Organisationen zahlen für die Nutzung der Büroflächen, Co-Worker:innen zahlen für ihre Plätze, Studios und Flächen werden vermietet. Publix wird gemeinschaftlich getragen. Darüber hinaus finanzieren wir einzelne Programme über Drittmittel. Der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien hat die Gründung des Media Forward Fund in den Jahren 2023 und 2024 unterstützt und finanziert aktuell unser Technologie-Journalismus-Fellowship. Weitere Fellowships wie das Nina Grunenberg Fellowship für Bildungsjournalismus oder das künftige Programm für Media Entrepreneurs in Kooperation mit dem Reuters Institute an der Universität in Oxford sind über Projektförderungen finanziert.
Wie sieht der Plan aus für die Zeit nach der Anschubförderung?
Publix wird sich langfristig aus Einnahmen durch die Büronutzung, Studio- und Flächenvermietungen sowie Co-Working-Beiträge und durch Drittmittel finanzieren. Umso vielfältiger der Finanzierungsmix, umso größer die Unabhängigkeit.
Wie kann Publix dazu beitragen, Vertrauen in den Journalismus zu stärken?
Publix stärkt Vertrauen in den Journalismus, indem wir seine Arbeitsweisen sichtbar und erlebbar machen. Bei unseren Veranstaltungen können Bürger:innen unmittelbar erleben, nach welchen Prinzipien unabhängige Redaktionen arbeiten, welche Fragen sie sich stellen und welchen Wert journalistische Recherche für die Gesellschaft hat. Gleichzeitig unterstützen wir Medienorganisationen mit unserer Infrastruktur und Kollaborationsangeboten dabei, professionalisieren und innovative Formate zu entwickeln: Formate, die Nähe schaffen, Dialog ermöglichen und neue Zielgruppen ansprechen. Künftig wollen wir regelmäßig Prototypen für eine offene und zukunftsfähige Medienkultur entwickeln und sichtbar machen. Wenn hier Formate entstehen, die später in Bibliotheken, Schulen oder Stadtteilinitiativen getragen werden können, dann trägt das unmittelbar dazu bei, Berührungsängste abzubauen und Vertrauen in den Journalismus zu stärken.
Gibt es eine Übertragbarkeit des Publix-Modells für Verlagshäuser?
Unser Geschäftsmodell unterscheidet sich grundsätzlich von klassischen Verlagshäusern. Aber viele Häuser könnten Teile ihrer Infrastruktur und ihres Wissens teilen und damit das Feld insgesamt stärken, etwa die Öffentlich-Rechtlichen in den Regionen. Wir wollen wie eben erwähnt zudem gute zukunftsfähige Modelle sichtbar machen, besonders wenn es darum geht, neue Zielgruppen zu erschließen. Darüber hinaus haben wir bei Publix gute Erfahrungen mit kuratierten Diskussionsformaten gemacht, die wir gemeinsam mit unseren Residents entwickeln. Sie zeigen, wie man komplexe Medienthemen so aufbereiten kann, dass sie gesellschaftlich anschlussfähig werden. Das ist ein Ansatz, den auch Verlagshäuser für sich fruchtbar machen können.
Lea Bayer
Lea Bayer ist Projektmanagerin Programm & Fundraising bei Publix. Davor leitete sie ein Team für redaktionelle Live-Formate bei Zeit Online, war Referentin des Chefredakteurs und arbeitete mehrere Jahre lang frei an Filmsets, bei Festivals und als Veranstaltungsorganisatorin.
Publix
Das im Jahr 2024 in Berlin eröffnete Publix – Haus für Journalismus und Öffentlichkeit will Medienschaffende, zivilgesellschaftliche Initiativen und die interessierte Öffentlichkeit zusammenbringen. Neben Arbeitsräumen für Redaktionen und Organisationen mit gesellschaftlichem Auftrag bietet das Haus auch Räume für Veranstaltungen, Diskussionen und gemeinsame Projekte.
Website: publix.de
